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Zielsetzung / Beschreibung

Einführung des in Neuseeland entwickelten Otago-Trainingsprogramms in Reutlingen: Das Otago-Trainingsprogramm zielt auf die Verbesserung / den Erhalt der Selbständigkeit und die Prävention von Stürzen bei eher gebrechlichen Senioren ab. Ziel ist es, dass Teilnehmer ein Trainingsprogramm zur Verbesserung von Kraft und Gleichgewicht erlernen und regelmäßig selbständig durchführen. Hierzu werden sie von Physio- oder Ergotherapeuten bei 5 Hausbesuchen innerhalb eines halben Jahres angeleitet. Zwischen den Hausbesuchen werden mittels 3 Telefonaten Fragen geklärt und die Motivation gefördert.

Die Effektivität des Programms wurde bereits in vielen Studien nachgewiesen. In einigen Ländern wird das Otago-Trainingsprogramm durch das Gesundheitssystem finanziert. Im deutschen Gesundheitssystem gibt es bislang für diese Zielgruppe kaum Möglichkeiten, ein Angebot zur Sturzprävention zu erhalten.

Folgende Herausforderungen stellten sich im Rahmen des Projekts: Kostenträger mussten davon überzeugt werden das Otago-Programm zu finanzieren. Die Infrastruktur zur Durchführung des Programms musste geschaffen werden; d.h. es mussten Therapeuten geschult sowie Ärzte und die Öffentlichkeit informiert werden. Weiterhin mussten Abläufe definiert und eine Reihe von Dokumenten erstellt werden, damit Ärzte, Therapeuten und Krankenkassen konstruktiv zusammenarbeiten konnten.

Vorgehensweise

  • Verhandlungen mit Krankenkassen
  • Information und Schulung von Physio- und Ergotherapeuten: Zu einem ersten Informationsabend wurden alle Physio- und Ergotherapiepraxen in Reutlingen eingeladen. Hier wurde das Programm sowie die geplante Vorgehensweise vorgestellt. Während des Informationsabends wurden auch die Anmeldeformulare für die 8 Unterrichtseinheiten umfassende, kostenlose Schulung ausgeteilt.
  • Information an die Ärzteschaft in Reutlingen: Zunächst wurden alle Hausärzte und Orthopäden in Reutlingen postalisch angeschrieben. Hierbei erhielten sie Informationen zum Programm (Inhalte, Zielgruppe, Ablauf der Verordnung), eine Liste mit häufig gestellten Fragen sowie Informationsflyer zur Ausgabe an Patienten. Telefonisch wurde nachgefragt, ob die Informationen angekommen sind und ob weitere Fragen bestehen. Zusätzlich wurden alle Ärzte, die Mitglied im Ärztenetz Reutlingen sind, per Email angeschrieben. Einige Wochen später erfolgte ein weiteres postalisches Anschreiben an alle Ärzte durch die beteiligten Krankenkassen. Außerdem wurden die Qualitätszirkel der Ärzte über die Verfügbarkeit des neuen Programms informiert.
  • Öffentlichkeitsarbeit: Die Öffentlichkeit wurde über mehrere Radio- und Zeitungsbeiträge informiert. Weiterhin wurde auf Veranstaltungen und Vorträgen, an welchen das Projektteam beteiligt war, für Otago geworben.
  • Begleitende Evaluation: Zur Evaluation wurde ein von den Therapeuten zu Beginn und Abschluss des Programms für jeden Teilnehmer ausgefüllter Evaluationsbogen genutzt. Zusätzlich wurden Ärzte und Therapeuten mittels eines Online-Fragebogens befragt. Die Erfahrungen der Therapeuten wurden weiterhin im Rahmen einer Fokus-Gruppe ermittelt.

Beteiligte Akteure und deren Aufgaben

  • Projektteam: Schulung der Therapeuten, Projektorganisation, Evaluation
  • AOK Neckar-Alb und Bosch BKK Reutlingen: Finanzierung für Versicherte, Öffentlichkeitsarbeit
  • Physiotherapie- und Ergotherapiepraxen in Reutlingen: Durchführung des Otago-Trainingsprogramms
  • Hausarztpraxen in Reutlingen: Verordnung des Otago-Programms über Präventionsempfehlungen
  • Kreisärzteschaft Reutlingen / Ärztenetz Reutlingen: Ansprache der Ärzte
  • Sanitätshaus Brillinger / Rölke-Pharma: Bereitstellung der für das Training benötigten Gewichtsmanschetten

Kosten / zeitlicher Aufwand

Kosten:

  • Vergütung an die Therapeuten durch die Krankenkassen: 241,60 Euro pro abgeschlossenem Programmteilnehmer (Kosten für 5 Hausbesuche inklusive Hausbesuchspauschale und 3 Telefonate)
  • Materialkosten pro Patient: ca. 5 Euro für Ordner und Kopien (getragen durch das Projekt)
  • Gewichtsmanschette für das Krafttraining: 65 Euro (durch Teilnehmer finanziert)
  • Druck von Informationsflyern, Zeitungsannoncen

Zeitlicher Aufwand für das Projektteam:

  • Konzeption Schulung / Schulungsmaterial: ca. 30 h
  • Durchführung der Schulung: 1 Schulungstag á 8 Unterrichtseinheiten mit 3 Projektmitgliedern
  • Betreuung / Beratung der Otago-Therapeuten: ca. 1 h /Woche
  • Evaluation: 60 h

Ergebnisse

In Reutlingen wurde das Otago-Trainingsprogramm von zwei Krankenkassen für ihre Versicherten außerbudgetär finanziert (ca. 60% der älteren Versicherten dadurch abgedeckt). Eingeschlossen werden konnten Personen nur dann, wenn ein Arzt das Programm mittels einer Präventionsempfehlung verordnete. 15 Physio- und Ergotherapeuten wurden in der Durchführung des Otago-Trainingsprogramms geschult. Zwischen Mai 2012 und August 2013 stellten Reutlinger Ärzte insgesamt 62 Präventionsempfehlungen für das Otago-Programm aus. Mindestens 47 Versicherte begannen mit dem Programm.

Erfahrungen / Empfehlungen

Die Teilnehmer, die das Otago-Trainingsprogramm wie geplant abschlossen, konnten deutliche Verbesserungen in der Funktionalität und Mobilität erreichen. Bei den meisten Teilnehmern schien ein langfristiges, eigenständiges Üben gesichert, so dass die Nachhaltigkeit des Programms gegeben ist.

Allerdings brachen insgesamt auch mehr Teilnehmer als erwartet das Programm ab. Dies lag zum einen an der hochvulnerablen Zielgruppe, zum anderen an der Schwierigkeit, die Teilnehmer zum eigenständigen Üben zu motivieren.

Um die Motivation zum eigenständigen Üben zu fördern scheint es bedeutsam zu sein, dass

  • Ärzte bei der Verordnung über die Ziele und Anforderungen von Otago aufklären (z.B. die Notwendigkeit von eigenständigem Üben)
  • Otago nicht als Ersatz für andere Therapien verordnet wird
  • Personen, die in ihrer Mobilität nicht eingeschränkt sind, eher in anspruchsvollere Gruppenangebote vermittelt werden
  • Therapeuten gut in Kommunikations- und Motivationstechniken geschult werden.